„Stark ist das Schweigen “ (Poniatowska).. Anarchismus und Revolution in Mexico – Teil 3

 

Anarchismus in Mexiko – abschliessender Teil !

In den 30erJahren war die CGT an den Rand gedrängt worden und führte mehr und mehr ein Schattendasein. Es kamen zwar in den nächsten Jahrzehnten viele Anarchist*innen aus europäischen Ländern nach Mexiko, doch die meisten sahen ihren Aufenthalt nur als Etappe an und orientierten sich in ihren Tätigkeiten an und für Europa. Dennoch hinterließen sie ihre Spuren in Landbesetzungen, Streiks und vor allem in der freien Bildung – ohne herkömmliche Schulen oder Universitäten. Spuren, die später eine neue, andere Generation im September 1985 in die mexikanische Öffentlichkeit tragen sollten.

Im „Terremoto de 1985“ kam es zu einem Erdbeben der Stärke 8.1., gefolgt von einem ähnlich starken Nachbeben einen Tag später und zerstörte große Teile der Hauptstadt.

Die Zahl der Toten wird mit 20 000 angegeben. Die korrupte Regierung liess zwar über das Radio Durchhalteparolen verkünden, die Hilfe wurde aber nur in den reichen Vierteln und in den Touristenzentren eingesetzt. Also war Selbsthilfe angesagt.


Eine neue Generation von Libertären, in einem Netzwerk von Kommunen und Kooperativen über ganz Mexiko verteilt, kurz „Red“(Netz) genannt, schufen die grünen Brigaden, praktische, einfache Nachbarschaftshilfe, basierend auf dem Prinzip der Selbstorganisation und der alternativen Lebensraumgestaltung

„>red< koordinierte Kommunen und Kooperativen in ganz Mexiko und unterhielt enge Beziehungen zur Kommunebewegung in den USA und Europa. Ihre Gründer*innen leben in der Anarchokooperative Huehuecoyotl und hier wurde auch die Idee der >grünen Brigaden< geboren. Das beschränkte sich nicht auf Steineklopfen, Handreichungen und Suppekochen.

Sie wollten den Leuten auf Dauer helfen. Und das konnte nur damit beginnen, ihnen behutsam aber eindringlich klarzumachen, woher die Ursachen ihres Unglücks kamen und was in Zukunft anders gemacht werden kann. Ein neues Erdbeben konnten sie nicht verhindern, aber die Folgen künftiger Ereignisse konnte schon beeinflusst werden.
Und das galt nicht nur für Naturkatastrophen.
In den folgenden Wochen, in denen die Brigade in wechselnder und langsam schrumpfender Besetzung am Ort blieb, konnten sie den Leuten vieles klarmachen. Aber sie traten dabei nicht nur als Lehrer auf, sie lernten, das vieles von dem, was sie den Menschen
vermitteln wollten, schon langst in ihnen steckte, allerdings verschüttet.
Vor allem aber lernten sie, das es allemal am wirkungsvollsten und befriedigsten ist, wenn man die Grundsatze von gegenseitiger Hilfe, von Solidarität, von Kollektivismus und Freiheit nicht nur als Agitator vertritt, sondern vorlebt. Hierbei kamen nun auch die verschiedenen beruflichen Kenntnisse zum Tragen.“ („Leben ohne Chef und Staat“)

https://ia903204.us.archive.org/31/items/HorstStowasserLebenOhneChefUndStaat/Horst_Stowasser_-_Leben_ohne_Chef_und_Staat.pdf

Die Katastrophe hat viele Dinge ins Bewusstsein gerückt –gegen den absurden Zentralismus der Hauptstadt und daraus die Notwendigkeit dezentraler und selbstverwalteter Alternativen zum Wachstum und zur Stadtentwicklung. „

In diesen Tagen wuchs die Ablehnung gegenüber der Staatspartei PRI. Die Menschen aus den betroffenen Stadtvierteln wurden ganz einfach und ganz praktisch mit den Ideen des Anarchismus vertraut. Anarchie ist eben überall dort machbar, wo Mensch sie lässt.

Ende der 7Oer Jahre führte die Entdeckung riesiger Ölfelder die PRI dazu, sich mit der Aussicht auf unermesslichem Reichtum im Ausland Kapital zu leihen, um eine neue Industrialisierung durchzuführen. Doch durch eine internationale „Ölkrise“ fielen die Preise und der mexikanische Staat in eine tiefe Verschuldung. Als das Land vor dem Bankrott stand, stiegen Weltbank und IWF ein. Die anschließende allgemein wohl bekannte „Sanierungspolitik“ führte zu einer weiteren Verelendungen der ärmeren Bevölkerungsgruppen und einer Verarmung des Mittelstandes. Die Banken und große Teile der Industrie wurden privatisiert, die Ölindustrie durfte die PRI allerdings behalten. Das Freihandelsabkommen NAFTA mit USA und Kanada wurde installiert. Dieser Vertrag sollte am 1.Januar 1994 in Kraft treten. All die nicht sehr edlen Damen und Herren, die Reichen und selten Schönen versammelten sich am Silvesterabend auf ihren Balkonen, um die Lösung ihrer Probleme ausgiebig zu feiern.

Doch am nächsten Morgen wurden sie alle jäh geweckt.

Im Morgengrauen des 01.01.1994 besetzte die „EZLN“(Ejercito Zapatista de la Liberacion Nacional ) fünf Kreisstädte in Chiapas, Mexiko. An diesem Tag wurde in San Cristobal de las Casas die erste „Declaracion de la Selva Lacandona“ verlesen. In dieser Deklaration erklärt die EZLN der mexikanischen Regierung den Krieg, indem sie sich auf Artikel §39 der mexikanischen Verfassung beruft. Dieser besagt, dass die nationale Souveränität einzig und allein in den Händen der Bevölkerung liegt. Ausdrücklich wird darin dem Volk das unveräußerliche Recht gewährt, jederzeit die Regierung zu verändern. Die Forderungen der Zapatisten waren Arbeit, Land, ein Dach über dem Kopf, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Autonomie, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden.

Es ist erst einmal die Ähnlichkeit der Bilder, die zum einen bei vielen die Fantasie anregen und die Libertären Abstand nehmen lässt. DieBalaklavamützen, das armeeähnliche Auftreten, visuelle Ikonen – erinnernd an Kuba, an Nicaragua. Die politische Bildung der lokalen militärischen Führer und wenigen Führerinnen ist marxistisch, die Armee scheint hierarchisch. Aber diese EZLN ist nicht das Zentrum dieser Bewegung, es ist die Struktur der Gemeindeautonomien, die entscheidend ist.
Fast 500 000 Menschen im Süden von Mexiko mit 5 Sprachgruppen sind Teile dieser „Caracoles“, diesem basisdemokratischen Selbstverständnis – gekennzeichnet durch kollektive Entscheidungsprozesse, kommunitäre Lebensorientierung usw. Nichts neues zwar, auf immer wieder aufs neue.
Und es sind Organisationen wie die „Alianza Magonista Zapatista“, die den Bogen schlagen zur Revolution und den Magonisten von 1910.

Auf den Strassen der mexikanischen Städte erscheint in den 70erJahren der „Punk“, wenn auch in der Hauptstadt es mehr die jungen Bürger*innen aus z.B. der „Zona Rosa“ sind, die sich das Haar färben und kaputte Jeans tragen.
Einige Jahre später werden Musik und Rhythmus schneller, aggressiver und mehr und mehr wird dieser „HardCore“ das Element des Anarchopunk, getragen von den armen und ausgegrenzten Jugendlichen, die sich mehr und mehr auch durch und in Fanzines zum Anarchismus und/oder Feminismus bekennen.

„http://youtu.be/dAXkItfg_W4″> (4Teiliger Videofilm zur Anarchopunkszene in Mexiko, in spanisch)

In dieser Zeit – so ab 1997 – entsteht ein Netz von autonomen und anarchistischen Gruppierungen, soziale Bibliotheken , Cruz Negra Anarquista,freie Radios und soziale Zentren.

—- die Aufstände in Oaxaca, die Erfolge der „Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca (APPO)“ bestätigen darüber hinaus erfolgreich die Fokussierung auf die lokalen Kämpfe und die Bedeutung der Gemeinden.

Dem gegenüber steht die Repression der mexikanischen Regierung, die aus dem Land mehr und mehr eine Festung macht – so dass oft nur die Verteidigung bleibt für das Leben des einzelnen Menschen und gegen den Raubbau der natürlichen Ressourcen, aber auch vorwärts getrieben durch die Entwicklung der letzten rd. 20 Jahre – wie die Selbstorganisation und Selbstverwaltung in den Widerstandsformen auch der indigenen Gemeinden, die sich nicht unbedingt offen als „Anarchismus“ erklären wollen, aber in ihrem Fundament durchaus eine libertäre Dimension tragen

Entsprechende Links:

„http://abajolosmuros.wordpress.com/„>

„http://asambleapopulardelospueblosdeoaxaca.blogspot.de/“>

„http://www.nodo50.org/cipo/“>

„http://congresolibertario.blogspot.de/“>


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