Okt 17 2020

Liebe Afrikaner*innen, liebe Geflüchtete….

– schon früher haben wir Europäer Glück und Wohlstand auf deinem Kontinent verbreitet.
Und auch heute schicken wir deinen Regierungen viel Geld und viele Geschenke.
Wir wissen natürlich, dass bei dir nicht jeder bereit ist für Demokratie.
Aber wir sind tolerant.

Solange der Handel funktioniert mischen wir uns nicht ein.
Andere Länder andere Sitten.
Aber falls das mit dem Handel mal nicht mehr so gut klappt,
schicken wir dir natürlich auch gerne unsere Wirtschaftshelfer.

Denn da wo es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut.
Da haben dann alles was davon.
Wir Europäer bekommen ein paar Bodenschätze von dir,
und beschenken dich dafür mit den Errungenschaften unserer europäischen Zivilisation.
Da freuen sich dann auch deine vielen Kinder.

Bei soviel Selbstlosigkeit verstehen wir natürlich, dass Du auch mal nach Europa kommen möchtest,
um dich persönlich bei uns zu bedanken.
Deshalb unterstützen wir auch all die Länder durch die du reisen musst.
Dank uns können sie eine Infrastruktur aufbauen,
die dir die Durchreise so angenehm wir möglich macht.

Und das ist noch nicht alles, liebe Afrikaner*innen, liebe Flüchtlinge
Wenn Du es aufs Mittelmeer geschafft hast,
helfen Dir unsere freundlichen Mitarbeiter von FRONTEX weiter.
Die sorgen z.B. dafür, sass du dich auf den unendlichen Weiten des Mittelmeers nicht verirrst.
Und geben dir kostenlosen Schwimmunterricht.

Und weil wir jedes Jahr das Budget von FRONTEX erhöhen,
können sie auch dafür sorgen, dass du immer genug Wasser an Bord hast.
und arbeiten gleichzeitig mit deinen afrikanischen Verwandten und Freunden zusammen,
um den Seeweg in einen hübschen Steg zu verwandeln.

Liebe Afrikaner*innen, ihr lieben Flüchtlinge,

wenn du dann bei uns Europa doch noch  angekommen bist,
halten wir extra für dich eine komfortable Unterkunft bereit.
Hier kannst Du dich dann erstmal in alle Ruhe von der monatelangen Reise erholen.

Und du darfst an unserer Asyl-lotterie teilnehmen:
Wenn Du gewinnst, kannst bei uns in Europa bleiben
und einer feurigen Zukunft entgegenblicken.

 

Aber auch wenn du nicht gewinnst, muss du nicht traurig sein lieber Afrikaner.
Denn du bekommst immerhin den Trostpreis, ein kostenloses Ticket zurück nach Afrika.
Und da ist doch das Wetter eh viel schöner als hier bei uns in Europa……

Deshalb kommen wir ja auch immer gerne für einige Zeit zu euch
in die von euch für uns gebauten Hotels und Golfanlagen
um uns dort mit euren Führern und Vorsitzenden zu treffen
neue Wohltaten für sie und für uns zu vereinbaren

dafür schicken wir euren Frauen auch Nähmaschinen und bauen Schulen für eure Kinder und senden Bomben
die Schulen damit ihr lernt, wie das ist mit der Demokratie
und Bomben, wenn ihr das falsch verstanden habt.

So sterbt ihr, liebe Afrikaner*innen und Flüchtlinge, doch sicher lieber im Kreise eurer Angehörigen
als in schmutzigen Gefängniszellen und dunklen Hinterhöfen bei uns.

(nach: „Lieber Afrikaner“ von Alexander Lehmann „http://youtu.be/V1eZ8Ilgbfs“> — aktualisiert von stoergeraeusch schwerin 

 


Okt 1 2020

„Pie in the Sky“ – 7.Oktober Geburtstag von Joe Hill !

 „Pie in the Sky“ („leere Versprechungen“ oder auch „Wer`s glaubt, wird selig“) ist heute in der USamerikanischen Sprache eine sehr geläufige Redensart. Zum ersten Mal verwendet wurde sie 1911 in einem Lied „The preacher and the slave“, das sich spöttisch den Strassenpredigern der Heilsarmee im Westen der USA widmete, die in den Armenvierteln auftauchten und dort das „Blaue vom Himmel“ versprachen.

Langhaarige Prediger tauchen jede Nacht auf/um dir zu sagen, was falsch ist und was richtig/aber wenn sie um etwas zu essen gebeten werden/ antworten sie mit ach so süßer Stimme/ Du wirst essen/irgendwann/in diesem prächtigen Land über dem Himmel/ Arbeite und bete, lebe von Heu/ nach deinem Tod wirst du das Paradies finden)

Der Autor des Liedes war „Joe Hill“, der 1903 zusammen mit seinem Bruder von Schweden nach New York kam, um von dort aus die nächsten Jahre als einer von Tausenden Wanderarbeitern durch das Land zu ziehen.

Geboren am 7.Oktober 1879 in Gävle, Schweden, als Joel Emmanuel Häggland in eine religiöse Familie geboren, lernte er schnell verschiedene Instrumente zu spielen. Als sein Vater starb, waren er und seine acht Geschwister gezwungen, zum Unterhalt der Familie beizutragen. Dazu erkrankte er schwer an einer Haut-und Knochentuberkulose. 1902 starb auch seine Mutter. Wie viele Einwander*innen änderte er nach der Überfahrt in die USA seinen Namen, zuerst Joseph Hillström, dann in Joe Hill.

Wo er wann genau die nächsten Jahre als „Hobo“ arbeitete, ist kaum bekannt. Im April 1906 wurde er in Kalifornien gesehen, andere trafen ihn in den Lagern der Erntehelfer und Eisenbahnarbeiter der Canadian Northern Railway. Die meiste Zeit wohl arbeitete er jedoch als Hafenarbeiter.

Seine Spur findet sich dann in Baja California wieder, an der Grenze zu Kalifornien, wo die Revolutionäre um Flores Magón 1911 einen Aufstand gegen die Diazdiktatur in Mexiko organisierten. Viele der Mitkämpfenden kamen aus der IWW, andere aus der „Socialist Party of America“. Unterstützt wurden sie dabei von Anarchist*innen wie Emma Goldmann.

1913 wird er dann Sekretär des Büros der IWW in San Pedro(Kalifornien).

 

Der IWW engagierte sich verstärkt auf den Baustellen, den Lagern, überall dort, wo die Wanderarbeiter einen Job fanden – kämpften für höhere Löhne, für grundlegende soziale und hygienische Bedingungen.

Vor allem galt ihr Kampf den so genannten „Jobhaien“(Arbeitsvermittlern), die im Gegenzug die Heilsarmee und andere religiöse Gruppen dazu brachten, mit Trompeten und Trommeln die Redner*innen der IWW mundtot zu machen.

Daraufhin gab die IWW Liederkarten aus, die auf bekannte Melodien mit neuen Versen gesungen wurden. Diese Liederkarten bildeten dann die Grundlage des 1909 zum ersten Mal herausgegebenen IWW- Songbook, dabei auch Joe Hills „Pie in the sky“.

Es ging nicht immer so glimpflich ab im Kampf gegen die Jobhaie, die mit den örtlichen Behörden zusammenarbeiteten und eine Verordnung durchsetzten, die das Rederecht der IWW verbot. So verschwanden dann auch ne Zeitlang viele IWW-Aktivist*innen in den Gefängnissen. Die Haftbedingungen und die Brutalität der Polizei bei den Festnahmen riefen jedoch solche Empörung und Boykotts aus, dass die IWW neben der (Wieder-) Herausgabe ihrer Zeitschrift „Industrial Worker“ nun auch wieder auf den Strassen frei reden konnten.

Ob Joe Hill bei den Aktivitäten dabei war, ist nicht bekannt und eher fraglich. Er galt als stiller Mensch, der nicht gerne erzählte und noch wenig als Redner auffiel.

Eine ähnliche Verbreitung wie „Pie in the sky“ erreichte seine Version des „Casey Jones“, welche er zur Unterstützung des Streiks der Eisenbahnhelfer im September 1911 schrieb.

„Casey Jones“ war im realen Leben John Luther Jones, ein Lokomotivführer, der am 29.April 1900 erfolgreich versuchte, einen Zusammenstoß mit einem Güterzug zu verhindern. Er wurde als der Held der Arbeiter besungen, die nicht gewartete und notdürftig reparierte Lok, die den Aufprall erst hätte ermöglicht, wurde nicht erwähnt.

 

 

In der Version von Joe Hill erscheint Jones als Streikbrecher, der für seine Verdienste und Treue zur Eisenbahngesellschaft die „Holzmedaille“ verdient habe „hielt er doch seinen Schrotthaufen in Betrieb und machte doppelte Überstunden“.

Die streikenden Bahnhelfer waren von Joe Hills Version begeistert und das Lied wurde im ganzen Land bekannt.

Das IWW Songbook von 1913 enthielt neun neue Lieder von Joe Hill. Dabei zwei, die sich gegen den Krieg und die Militarisierung richteten.

 (Jedes Jahr geben wir Milliarden für Waffen und Munition aus/”Unsere” Armee und “unsere”Flotte/sollen stets in guter Verfassung sein;/ während Millionen Menschen im Elend leben/und Millionen vor uns gestorben sind)

 

Die  Gesellschaft, in der Joe Hill seine Lieder schrieb, war eine Gesellschaft der Männer: im Westen waren die Lohnarbeiter fast ausschließlich Männer, nur in den Textilfirmen im Osten des Landes gab es mehr Lohnarbeiterinnen.

Joe Hill wollte die Frauen auch in die IWW. Im Frühjahr 1913 schrieb er dafür das Lied: “What we want“

We want the tinner and the skinner and the chamber-maid,

We want the man that spikes on soles,

We want the man that’s digging holes,

We want the man that’s climbing poles,

And the trucker and the mucker and the hired man,

And all the factory girls and clerks,

Yes, we want every one that works

(Wir wollen den Klempner/den Selcher/das Zimmermädchen/Wir wollen den Mann der die Schuhe besohlt/den Mann der Gruben gräbt/wir wollen die Telegrafenarbeiter/Und die Lastwagenfahrer/die Schotterer und die Leiharbeiter/ Und all die Arbeiterinnen und Angestellten der Fabriken/ Ja, wir wollen alle, die arbeiten…)

 

Aber das wohl bekannteste Lied von ihm in diesem Zusammenhang ist „Rebel Girl“: „Das ist das Rebel Girl/das ist das Rebel Girl/ Sie ist für die Arbeiterklasse eine kostbare Perle/sie bringt Mut, Stolz und Freude/Mit einem Rebel Girl ist es großartig/ für die Freiheit zu kämpfen“

 

 

Die Lieder schrieb er in San Pedro, wo er auch als Sekretär im lokalen Büro der IWW arbeitete. In dieser Tätigkeit wurde er während eines kurzen Streikes der Hafenarbeiter verhaftet und zu 30 Tagen Gefängnis wegen „Landstreicherei“ verurteilt.

Im Herbst 1913 zog Joe Hill nach Salt Lake City (Utah), um dort in der Werkstatt der Silver King Mine in Park City zu arbeiten. In dieser Region war die IWW besonders verhasst, hatten sie doch trotz massiver Repression Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Utah Construction (Baufirma mit Aufträgen der Eisenbahngesellschaften) durchgesetzt.

Einige Tage vor Weihnachten besuchten Joe Hill und ein Freund die schwedische Gemeinde in Salt Lake City, wo er in einer Pension übernachtete. Am Montagabend, den 13.Januar 1914, wird er von drei Polizisten überfallen, angeschossen und wegen Mordes verhaftet. Er soll am 11.Januar einen ehemaligen Polizeioffizier, John Morrison, überfallen und zusammen mit einem Unbekannten erschossen haben – aus „Rache“. Der Polizeichef von San Pedro war überzeugt, das es Joe Hill war, „diesen lästigen Genossen“, dessen Gewerkschaft und dessen Lieder er hasste – nun war die Gelegenheit, Joe Hill endlich loszuwerden.

Hill hatte keine Vorstrafen, es existierte keine Verbindung zu dem Opfer und wurde von keinem der Zeugen des Mordes (einschließlich Morrison Sohn) erkannt.

Am 27.Juni 1914 wird er für schuldig befunden und zum Tode durch Erschiessen verurteilt.

In den Monaten seiner Haft schreibt er neue Lieder, hat nichts von seiner Hoffnung auf die Arbeiter*innenkämpfe verloren. Zu einen komponiert er die Musik zu seinem „Rebel Girl“ und es entsteht „Workers of the world awaken“.

(Wenn sich die Arbeiter*innen einig sind/können sie jeden fahrenden Zug anhalten/Jedes Schiff irgendwo auf dem Meer/können sie mit starken Ketten verankern/Jedes Rad in der Produktion/Jede Grube und jede Mühle/Flotten und Armeen aller Nationen/stehen auf ihr Kommando still/)

 

 

 

(Coverversion von “ Workers of the world awaken “ als Funkversion – schöne Bilder)

 

 

 

Draussen beginnt weltweit ein Protest gegen die Inhaftierung und Anklage von Joe Hill, erreicht wird lediglich ein Aufschub der Hinrichtung.

Joe Hill arbeitet weiter ruhig an seinen Liedern.

Er schreibt an Bill Haywood, dem Generalsekretär des IWW die berühmten Worte: „ Trauert nicht – organisiert“.

Als endgültiger Termin für seine Hinrichtung wird der 19.November festgelegt. Am Abend zuvor übergibt Joe Hill einem Gefängniswärter einen Zettel mit den Worten „Mein letzter Wille“:

 

(Mein letzter Wille ist leicht zu bestimmen/Denn ich habe nichts zu verteilen/Meine Verwandten brauchen nicht stöhnen und jammern/“Ein rollender Stein setzt kein Moos an“/Meine Leiche?/Ach, wenn ich wählen könnte/hätte ich gern zu Asche verbrannt/Und lasst ein laues Lüftchen wehen/meinen Staub dorthin wo einige Blumen wachsen/ Vielleicht werden dann einige blasse/ zu neuem Leben kommen und zur Blüte/ Das ist mein letzter Wille —- Viel Glück euch allen !)

 

 

 

 

                                                    (Utah Phillips: Joe Hill´s Last Will)

Nach einer Trauerfeier in Salt Lake City wird sein Körper nach Chicago gebracht, wo bei der Beisetzung Tausende seine Lieder singend dem Sarg folgten.

 

Seinem „letzten Willen“ entsprechend wurde er eingeäschert und am 1.Mai 1916 die Asche von Menschen in verschiedenen Ländern verstreut.

 

 

 

(„ I dreamed I saw Joe Hill last night“ mit der unvergesslichen Band Chumbawamba)

       

        Alive as you and me

        Says I, „But Joe, you’re ten years dead“

        „I never died“, said he.

        By and by, by and by

        Forget that glorious land above the sky

        Don’t you cry, don’t you cry

        By and by