Geschichte des Anarchismus in Deutschland — 2. Abschnitt

(Erich-Mühsam Platz in München)

Auf dem Meere tanzt die Welle
nach der Freiheit Windmusik.
Raum zum Tanz hat meine Zelle
siebzehn Meter im Kubik….
……Liebe tupft mit bleichen leisen
Fingern an ein Bett ihr Mal.
Meine Pforte ist aus Eisen,
meine Pritsche hart und schmal…..“
(Erich Mühsam)
Nach seinen Gefängnisjahren stürzte sich Erich Mühsam erneut ins revolutionäre Geschehen. Viele seiner Freunde und Bekannten waren jedoch nicht mehr – oder hatten sich den Parteien oder Karrieren ergeben.
Wo bleibt ihr nur, Genossen meiner Zeit?
Ich schau zurück und kann euch kaum noch sehn.
Ein wirres Stimmentosen hör ich weit,
Weit hinter mir und kann es nicht verstehn
.“
Die FAUD war durch das straff organisierte Industrieproletariat in der Weimarer Republik immer kleiner geworden, der Dogmatismus der „Föderation kommunistischer Anarchisten“, der Nachfolgeorganisation der „AFD“, zeigte sich in einem Unvereinbarkeitsbeschluß gegenüber Mühsam, hatte dieser doch sofort nach seiner Entlassung für die Freilassung der anderen Gefangenen mit der KPDnahen „Roten Hilfe“ Vortragsreisen unternommen, Gelder gesammelt und Protestveranstaltungen mitorganisiert.
Nun schloss ihn deshalb die Föderation aus. Auch die FAUD lehnte jede Mitarbeit mit der „Roten Hilfe“ ab, weil diese einzig und allein der Propaganda der KPD diene.
Mühsam kümmerte das wenig. Auch mit der FAUD war er immer auf Distanz. So stellte er deren gewerkschaftlicher Organisierung immer das revolutionäre Rätemodell gegenüber. (1931 soll er allerdings über eine Mitgliedschaft nachgedacht haben)
Er gründete nach dem Rauswurf die „Anarchistische Vereinigung“ und mit ihr 1926 die Zeitschrift „Fanal“, die 1931 allerdings verboten wurde. In ihr hatte er von Anfang an vor dem Herannahen des Nationalsozialismus gewarnt.
1927 beteiligte er sich an der weltweiten Kampagne für die Freilassung von Sacco und Vanzetti und schrieb für sie das Drama „Staatsräson- ein Denkmal für Sacco und Vancetti“
 
Fürcht nicht die Stunde, da du stirbst.
Die Welt, so glaub’s nur, kann dich missen.
Kein Stern, um dessen Licht du wirbst,
wird mit dir in den Tod gerissen.
Solang du lebst, wirst du gebraucht.
Soll dich das Leben nicht vergessen,
sorg, daß die Tat nicht untertaucht,
an der du deine Kraft gemessen.
Leb, daß du stündlich sterben kannst,
in Pflicht und Freude stark und ehrlich,
nicht dich, – das Werk, das du begannst,
mach für die Menschheit unentbehrlich!“
 (Leitsatz, Erich Mühsam)
Im Februar 1933 wird Erich Mühsam verhaftet und ein Jahr später in das KZ Oranienburg verschleppt. In der Nacht zum 10.Juli 1934 wird er von SS-Leuten erschlagen.(1)

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt…
..“    https://youtu.be/1mHVUIcptoU

1933 wird das Büro der Geschäftskomission der FAUD in Berlin von Faschisten gestürmt. Einige, unter anderen Helmut Rüdiger und Augustin Souchy, flüchten nach Spanien und gründen in Katalonien die Gruppe „Deutsche Anarchosyndikalisten“. Andere verschwinden in den KZ‘s der Nationalsozialisten oder gingen in den Untergrund. (2)
Die Widerstandsformen der FAUD wie auch der „Föderation“ waren nicht einheitlich. Während die FAUD zu einem Generalstreik gegen die Machtergreifung der NSDAP aufrief, hatten sich schon einige Jahre zuvor die Ortsgruppen in Oberschlesien zu einer militanten uniformierten Organisation zusammengeschlossen: den „Schwarzen Scharen“, die schnell vor allem bei den jungen Leuten an Einfluss gewann.
Der Name verwirrt im ersten Moment, erinnert er ja an das Braunschweiger Freikorps „Schwarze Schar“, das 1809 gegen die Franzosen aufgestellt wurde. Dort findet sich zum ersten Mal mit dem Wahlspruch „Sieg oder Tod“ ein silbernen Totenkopf, der später von der SS übernommen wurde. Ob der Name „Schwarze Scharen“ bewusst als Pendant gewählt wurde, kann nur spekuliert werden.
Auf jeden Fall begriffen sich die „Schwarzen Scharen“ als unabhängig agierende Ergänzung zu FAUD. Diese kritisierte allerdings bald das Auftreten und Militarisierung – sahen sie doch darin einen erneuten Rückfall in den politischen Terrorismus des 19.Jahrhunderts.
Die Mehrheit der Genossen vertritt den Standpunkt, daß die Jugend durch die „Schwarzen Scharen“ militarisiert wird und unser Kampf gegen Krieg und Militarisierung dadurch zur Farce .“
Dem hielten die „Schwarzen Scharen“ entgegen: „Wir als junge Revolutionäre sind nicht mit der Stagnation der Bewegung einverstanden.Die Bewegung ist gelähmt und inaktiv geworden. Statt mit verkümmerten Pessimismus passives und abwartendes Verhalten zu erzeugen, gilt es nun gute und fruchtbringende Arbeit mit den Massen zu leisten. Wie steht ihr zur Abwehrfront gegen Faschismus und Feinden der Anarchosyndikalisten?“
Die FAUD sei viel zu sehr eine gewerkschaftliche Organisation und vernachlässige die politische Auseinandersetzung.
So fanden die „Schwarzen Scharen“ schnell Einfluß im ganzen Land. In einer ihrer Zeitschriften „Die Schwarze Horde“ von 1930 wurde sogar Erich Mühsam als der Leiter aller „Scharen“ vorgeschlagen.
Viele in diesen Gruppen trugen Revolver bei sich, die sie dann auch bei den Strassenschlachten gegen die Nazis einsetzten.
Trotz grossmöglichster Distanz der FAUD mussten diese bei den immer häufiger werdenden Angriffen der Faschisten die „Schwarzen Scharen“ oft als Saalschutz akzeptieren.(3)
Nach 1933 traten die verschiedenen Gruppen der „Schwarzen Scharen“ nicht mehr öffentlich auf. Viele machten illegal weiter.
1937 wurde eine Gruppe im Rheinland von der Gestapo verhaftet. Über 100 junge Leute wurden inhaftiert, später in die KZ‘s gebracht, wo die meisten starben.
Einige der Überlebenden konnten desertieren, als sie in die SS zwangsrekrutiert werden sollten.
Ein anderer Teil ging zur Gruppe der „Deutschen Anarchosyndikalisten“ nach Barcelona oder weiter in die Kolonne „Durutti“, wo sie ihren Kampf gegen den Faschismus fortsetzten.

(1)  http://digitalresist.blogspot.com/2014/06/zum-gedenken-12juli-2014-80todestag.html  
(zum Gedenken an Erich Mühsam)

(2) + (3) https://www.a-radio.net/2010/4216     (Radiosendung zu „schwarze Scharen“ und „Anne Goetze“ FAUD)

https://youtu.be/TsyS6vITOZ4……….. (A las barricadas — Film zu einigen der „DAS“)

* Originalmanuscript Juli 2011

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(wird fortgesetzt: Mahnruf und Befreiung)


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